Der Goiserer

Der Goiserer - vom Holzknechtstiefel zum Lifestyle-Produkt

Das Innere Salzkammergut, rund um den Hallstätter See, war über Jahrhunderte eines der Kerngebiete der Salzgewinnung in Österreich. Zum Salzsieden brauchte man bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein Unmengen an Holz, daher waren die Holzknechte ein wichtiger Teil der Salzwirtschaft. Kein Wunder also, dass hier einer der ersten Spezialschuhe für die Holzwirtschaft entstand: der "Goiserer".

Zwienaht und Nägel

Erfunden wurde er in Bad Goisern, einer beschaulichen Gemeinde zwischen Bad Ischl und dem Hallstätter See, deren Namen er bis heute trägt. Gelegentlich wird das Jahr 1875 als Entstehungsjahr des ersten Goiserers angegeben, aber so genau weiß man das nicht. Der Goiserer wurde jedenfalls explizit als Holzknechtstiefel entwickelt: Aus extra robustem Leder und mit genagelter Sohle war er perfekt für die Arbeit im steilen Bergwald und das Balancieren auf glatten Stämmen geeignet.

Dass der Goiserer im lokalen Dialekt auch als "grobgnater Schua" ("grob genähter Schuh") bezeichnet wird, trifft sein Hauptmerkmal sehr gut: seine Robustheit. Das war die Hauptanforderung der Holzknechte, die ihre Stiefel tagein, tagaus bei ihrer schweren Arbeit trugen und nicht alle halbe Jahre ein neues Paar kaufen wollten. Ein gutes Paar Schuhe kostete zu dieser Zeit einen durchschnittlichen Monatslohn, hielt aber eben auch entsprechend lange. Neben der stabilen Zwienaht, die Oberleder und Sohle nahezu unzerstörbar zusammenhält, war vor allem die genagelte Ledersohle das besondere Merkmal der Goiserer: Eine durchgehende Reihe handgeschmiedeter Eisennägel, "Schenken" und "Spitzköpfe" genannt, umgibt die glatte Ledersohle wie ein Kranz und verschafft ihrem Träger auf schwierigem Untergrund sicheren Halt.

Von den ersten Touristen entdeckt

Der Goiserer blieb aber kein Holzknechtstiefel. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde das Salzkammergut durch eine Eisenbahnlinie erschlossen, die die ersten Touristen in diese Gegend brachte. Und die wollten im Grunde dasselbe wie heute: Erholung an einem der zahlreichen Seen der Region, aber auch wandern und bergsteigen in der umgebenden Bergwelt. Die städtischen Bürger, meist der wohlhabenden Mittelschicht oder dem begüterten Adel entstammend, entdeckten bald, dass der Holzknechtstiefel aus Bad Goisern auch für ihre Zwecke perfekt geeignet war. Die Schuhmacher von Bad Goisern hatten mit ihnen eine völlig neue, unerwartete Kundenschicht gewonnen - gerade rechtzeitig, denn den Bedarf an Brennholz für die Salzgewinnung ging zu dieser Zeit durch den Einsatz billigerer Kohle zurück, und damit auch die Zahl der Holzknechte.

Dass sogar der österreichische Kaiser Franz Josef I., der über Jahrzehnte jeden Sommer im nahegelegenen Bad Ischl verbrachte, auf seinen zahllosen Jagdausflügen den Goiserer trug und zum Maßnehmen zu einem Meisterschuhmacher nach Bad Goisern kam, verschaffte dem Holzknechtstiefel eine noch größere Popularität - kann man sich ein besseres Testimonial vorstellen als einen Kaiser? Die adeligen Jagdgesellschaften in seinem Umkreis folgten seinem Beispiel und machten den Holzknechtstiefel aus Bad Goisern in ganz Europa bekannt. Natürlich besaß auch die wanderfreudige und emanzipierte Kaiserin Sisi mindestens ein Paar.

Hochklassiges Handwerksprodukt

So wurde der Goiserer schon früh von der Arbeitskleidung zum hochklassigen Lifestyleprodukt (auch wenn das damals natürlich noch nicht so hieß). Und diesen Status hat er im Grunde bis heute behalten: Während preisgünstige Schuhe aus industrieller Massenfertigung den Schuhmacherwerkstätten anderswo das Wasser abgegraben haben, konnte sich der Goiserer eine Nische erobern. Er wird noch immer in Bad Goisern von spezialisierten Handwerksmeistern hergestellt und erfreut sich hoher Nachfrage. In Bad Goisern gibt es heute noch einen Schuhmacherbetrieb, der seine Geschichte bis ins 19. Jahrhundert hinein belegen kann. Der Schuh wird ausschließlich auf Bestellung gefertigt und ist auch bei internationaler Prominenz beliebt: So soll Arnold Schwarzenegger ein Paar Goiserer besitzen, ebenso wie der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl. Als bekanntestes Handwerksprodukt des Ortes ist er ein wichtiger Teil der kulturellen Identität von Bad Goisern.

Allerdings unterscheiden sich die modernen Goiserer in ein paar Details von den Originalen aus dem 19. Jahrhundert: So werden sie heute meist nicht mehr mit einer genagelten Ledersohle hergestellt (die in den meisten Fällen doch zu unpraktisch wäre und auf Fußböden jeder Art einen zerstörerischen Einfluss ausübt), sondern mit einer modernen Vibramsohle. Damit sind sie auch für ausgedehnte Bergtouren geeignet, auch wenn sie dafür heute eher selten eingesetzt werden. Sonst hat sich aber nichts geändert: Der Schuh wird noch immer in aufwendiger Handarbeit nach Maß hergestellt, Arbeitsprozesse, Techniken und die meisten Materialien sind gleich geblieben. "Den" Goiserer gibt es aber eigentlich gar nicht, denn in Farbe, Schnitt und Dekor gibt es seit jeher eine große Variationsbreite, die auch einen stylischen Auftritt auf dem Trachtenfest erlaubt. Es soll sogar Besitzer geben, die ihre Schuhe über Generationen vererben. Auch Reparatur und Aufarbeitung älterer Modelle sind ein wichtiger Geschäftsbereich der Goiserer Schuhmacher, denn einen Goiserer kann man fast immer reparieren und so über Jahrzehnte erhalten. Eine Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren wird als Richtwert angegeben, das hängt aber natürlich stark vom Einsatzzweck ab.

Auch wenn er sich von seinem ursprünglichen Einsatzzweck inzwischen weit entfernt hat, darf man den Goiserer als einen wichtigen Vorläufer der heutigen Sicherheitsschuhe für die Forstwirtschaft wie Forstschuhe und Schnittschutzschuhe ansehen. Er ist ein Beweis dafür, in welch unerwartete Richtung sich zweckmäßige Arbeitsbekleidung entwickeln kann.

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